04 12 2006
Mimo: Scarlatti daily ist Teil meines SCARLATTI Media Projekt s. Es ist Domenico Scarlatti (1685-1757) gewidmet. Täglich werde ich mir fortlaufend eine seiner 555 Sonaten anhören, und darüber, und was ich sonst an diesem Tag über Scarlatti erfahre, in diesem Blog berichten. Das Scarlatti Media Projekt beinhaltet außer dem „Mimo: Scarlatti daily“ Blog, meine künstlerische Beschäftigung mit Domenico Scarlatti und seiner Musik in Form von Visualisierungen und Multimedia Arbeiten. Es sind alle herzlich eingeladen, sich an diesem Blog mit Kommentaren und Beiträgen zu beteiligen!
Wie alles begann:
Werktags bin ich um 6 Uhr früh in meinem Büro, höre im Radio den österr.Kultursender Ö1 mit der Nachrichtensendung Frühjournal und anschließend die Morgensendung mit „klassischer“ Musik im Hintergrund. Am Montag, 20.November 2006, horchte ich auf: Barockmusik mit ungewöhnlichen Klängen und Rhythmen, gerade noch schnappte ich den Namen Scarlatti auf. Meine Musikstile sind ja eigentlich die Musik meiner Kindheit, der Rock´n´Roll, meiner Jugend, der Beat und (Folk)Rock und die Musik meiner Erwachsenenzeit, der Jazz. Mit sog. Klassik konnte ich bislang wenig anfangen, auch wenn mein Vater Kirchenorganist ist und ich in letzter Zeit morgens nebenbei klassische Musik höre. Doch dieses Hörerlebnis ließ mich nicht mehr los, sodass ich mich am Wochenende, am 25.November via Internet informierte, was ich denn für ein Musikstück gehört habe und wer Scarlatti war. Ich lud mir dann John Sankey s Gesamteinspielung im Mp3 Format (551 MB, Downloadzeit über 4 Stunden http://www.archive.org/details/JohnSankeyPlaysScarlatti , die Midi Zip Datei http://sankey.ws/data/scarlatti.zip hat nur 1.4 MB ...) herunter, hörte verschiedene im Netz verstreute Samples an und besorgte mir Ralph Kirkpatricks Scarlatti Buch (dt.Ausgabe von 1972). Und seither bin ich gefangen von dieser Musik.
Gestern, 3.Dezember, entschloss ich mich zu einem neuen Projekt: die Kürze der Sonaten würde es erlauben, sich mit einer täglich zu beschäftigen, sie über den Tag verteilt immer wieder anzuhören und in meiner Arbeit als Media Artist künstlerisch zu bearbeiten. Dies und die weitere Beschäftigung mit Domenico Scarlatti wäre auch ein gutes Thema für einen täglichen Blog, der zudem ein Forum für Scarlatti Liebhaber werden könnte. Die Idee zu „Mimo: Scarlatti daily“ war geboren. Zur Namenserklärung: D.Scarlatti war laut Johann Joachim Quantz (R.Kirkpatrick 1972;Bd.1,S.98 u.21) „Mimo“ gerufen worden.
So beginne ich nun heute am Montag, 4. Dezember, 14 Tage nachdem ich zu ersten Mal D.Scarlatti, und zwar die Sonate in d-moll für Mandoline und Basso Continuo (K 90) in einer Aufnahme mit Il Giardino Armonico, erschienen auf Teldec 4509931572, gehört habe, mit der Sonate K 1 ( Longo 366 ), die mein Notebook nach dem Entpacken zunächst ziemlich ruckelig abspielte. Ich werde mir wohl schnellstens Scott Ross´ Gesamteinspielung besorgen. Als ich sie im Saturn-Markt in Wien vergangenen Montag gesehen hatte, war sie mir mit € 94,98 doch etwas zu teuer. Mittlerweile weiss ich, dass sie bei Amazon um € 79.- wohlfeil ist.
Die Sonate K 1 in d-moll ist die erste der Essercizi per Gravicembalo (1738). Eine Sammlung von 30 Sonaten über die R.Kirkpatrick schreibt: „In den dreißig Sonaten der Essercizi per Gravicembalo (1738) gibt es nicht viel, was sich auf die Tradition zurückführen ließe. Alle stilistischen Eigenheiten Scarlattis sind derartig zu einer eigenen konsequenten musikalischen Sprache verschmolzen, daß Vergleiche mit früherer oder zeitgenössischer Musik nur dazu führen können, daß man Scarlattis Originalität um so höher einschätzen muß.
Überall in den Essercizi wird Scarlattis eigenartig scharfer Sinn für das Räumliche klar erkennbar. Kleine Intervalle wechseln mit großen; Schritten stehen Sprünge gegenüber; gegen Töne, die statisch bleiben – Tonwiederholungen oder Orgelpunkte -, setzt sich deutlich die melodische Bewegung anderer Stimmen ab. Plötzliche Sprünge oder Lagenwechsel dehnen das Ausdrucksintervall über die Grenzen der Stimme ins Reich des imaginären Tanzes.“ (Bd.1,S.185). Na, da bin ich neugierig. Ich bin, was diese Musik betrifft ja blutiger Laie und Anfänger und werde sicher nur einen Bruchteil des eben Beschriebenen heraushören.
Der erste Eindruck: schöne,“swingende“ Musik, deren Melodie mein Ohr ganz gut folgen kann. Das flotte Tempo wird durch einige Triller und ungewöhnliche Intervalle unterbrochen, kleine Verschnaufpausen.
Eine sehr gelobte Gesamteinspielung der Essercizi ist von Alain Planés auf Harmonia Mundi erschienen.
Zum Schluß noch drei Links zur Biografie Scarlattis: auf Wikipedia http://de.wikipedia.org/wiki/Domenico_Scarlatti , in englisch http://w3.rz-berlin.mpg.de/cmp/scarlatti_d.html
und eine in franz.Sprache mit kompletter Bibliografie und Werkverzeichnis auf Musicologie.org http://www.musicologie.org/Biographies/s/scarlatti_domenico.html
Das schon erwähnte Standardwerk zu Scarlatti: Ralph Kirkpatrick, Domenico Scarlatti. München: Verlag H.Ellermann 1972, 2 Bände, ISBN 3-7707-7651-8 . Leider Out-of-print, nur mehr antiquarisch für € 120.- aufwärts erhältlich. Die amerikanische Originalausgabe gibt´s in Reprints wesentlich billiger, allerdings ist die dt.Ausgabe ihr gegenüber wesentlich erweitert und aktualisiert.
Übrigens: 2007 ist, aus Anlaß des 250. Todestags, Scarlatti Jahr!
05 12 2006
Heute also die 2.Sonate, K 2 in G-Dur (Longo 388 ) Presto. Mir fallen die kurze einstimmige Eingangspassage und die vielen Wiederholungen auf. Zu mehr reicht mein musikalisches Verständnis noch nicht, und das wird wohl noch lange so bleiben. Überhaupt bin ich analytisches, beschreibendes Hören nicht gewöhnt. Ich pflege mich der Musik einfach hinzugeben. Das hatte bei K 2 zur Folge, dass sich mein, durch eine sehr ungünstige und für die Jahreszeit wesentlich zu warme Wetterlage sehr beeinträchtigtes, gesundheitliches Wohl- besser Missempfinden deutlich gebessert hat. Also schon bei der 2.Sonate eine gewisse Heilwirkung?! Gestern abends stieß ich auf Johannes Rövenstruncks Website. Ein ausgezeichneter Pianist, Komponist und Musiktheoretiker, siehe auch den Wikipedia Eintrag zu seiner Person http://lexikon.freenet.de/Johannes_R%C3%B6venstrunck , der an einer Gesamteinspielung der Sonaten auf 19 CDs arbeitet und ein höchst interessantes Buch: „Die Sonaten Domenico Scarlattis“ geschrieben hat. Ich habe mir dieses eBook als PDF Datei heruntergeladen http://www.jorov.de/html/downloads.html und gleich „verschlungen“. Rövenstrunck schreibt „Scarlatti, im selben Jahr geboren wie Bach und Händel, war in mehrerer Hinsicht der Revolutionär von den dreien. Auch Bach hatte das erkannt, als er sagte, dass er ohne die Kenntnis von Scarlattis Sonaten seine Partiten nicht hätte schreiben können, die zu seinen in technischer Hinsicht abenteuerlichsten Klavierwerken gehören.“ (S.3)
Rövenstrunck unterscheidet bei der Komposition der Sonaten 4 Perioden:
„Bis etwa K100 (um genau zu sein, K95) die ‚italienischen’ Sonaten, die trotz aller Genialität und unglaublicher Details noch stark in der Tradition der italienischen Barockmusik verwurzelt sind.
Bis etwa K300 die ‚spanischen’ Sonaten, bei vielen von diesen Sonaten sind Einflüsse der spanischen Volksmusik, insbesondere des Flamenco, evident.
Bis etwa K400 eine Periode im Komponieren Scarlattis, die vom Streben nach größtmöglicher Einfachheit geprägt ist. Auffällig ist, dass die meisten Stücke dieser Periode in Dur stehen. In den anderen Perioden halten sich Dur und Moll in etwa die Wa age. In vielen Sonaten dieser Periode tritt auch die Virtuosität etwas in den Hintergrund, obwohl der Virtuose Scarlatti sich nie verleugnet.
Ab K400 der ‚Spätstil’. Alle genannten Elemente erscheinen gleichzeitig und ineinander verflochten, also auch die Virtuosität, und sind zu absoluter Musik abstrahiert. K427 und K517 z.B. sind die ersten Konzertetüden, die jemals geschrieben wurden.“ (S.7; Verbesserungen kursiv). Domenico Scarlatti sei auch der eigentliche Schöpfer des Nocturnes und nicht der irische Komponist John Field.(S.61 )
Rövenstrunck betont, dass Scarlatti tief in der Modalität verwurzelt ist und als Ausdruck seiner musikalischen Freiheit „die damals durch seinen Zeitgenossen Jean Philippe Rameau (1683-1764) schon formulierten Gesetze der Tonalität und der Formenlehre ‚missachtet’“ hat, „wann immer er es musikalisch nötig befunden hat“(S.7). Scarlatti „war in der Tat der unkonventionellste aller Komponisten seiner Epoche und auch darum wohl der interessanteste.“(S.15)
Was Partituren betrifft, so sind aus dem Netz die Sonaten K 1 – K 176 von John Sankey sowie Pierre Gouin http://icking-music-archive.org/ByComposer/Scarlatti.php greifbar, von Rövenstrunck empfohlen werden die Gesamtausgabe des Urtextes in 11 Bänden von Kenneth Gilbert (Paris : Heugel 1971-1984) sowie eine Auswahl der Sonaten, die in der ungarischen Edition Musica, Budapest erschienen ist.
06 12 2006
Tonleiter rauf und runter, die 3.Sonate K 3 in a-moll (Longo 378) Presto weckt Kindheitserinnerungen in mir: so hat´s geklungen, wenn ich mit dem Daumennagel über den Zähnen eines Kammes rauf und runter gefahren bin.
R.Kirkpatrick charakterisiert Scarlattis Cembalomusik so: sie „liegt zwischen der echten Polyphonie der Orgel mit ihren gleichzeitig erklingenden Akkorden und Stimmen und der Scheinpolyphonie der Gitarre mit ihren gebrochenen Akkorden und synkopierten Stimmen. Sie ist aber auch beeinflußt von der Orchesterpolyphonie, vom Kontrast der Klangfarben verschiedener Instrumente oder Instrumentengruppen und durch den Gegensatz zwischen Solo-Instrument oder –Instrumenten und Tutti. Die Grundvorstellung solo gegen tutti, die dem italienischen Concerto grosso zugrunde liegt, herrscht auch in Scarlatis Cembalomusik.“ (Kirkpatrick 1972, Bd.1, S.225)
07 12 2006
Festen, zügigen Schritts immer vorwärts, die Sonate K 4 in g-moll (Longo 390) Allegro hat Drive und macht Mut den Tag schwungvoll zu beginnen. Ich freue mich schon auf Scott Ross´ Gesamteinspielung der Sonaten, denn Sankey s MIDI Files klingen schon sehr nach blutleerer Maschinenmusik. Amazon hat mitgeteilt, dass die 34 CD-Box gestern versandt wurde.
Im Vorwort zur einzigen zu seinen Lebzeiten unter dem Titel "Essercizi per Gravicembalo" von ihm herausgegebenen Sammlung von Sonaten (K1-K30) schreibt Scarlatti 1738 sehr amüsant:
„Leser, seiest du nun Dilettant oder Berufsmusiker, erwarte in diesen Kompositionen keine profunde Gelehrsamkeit, sondern eher ein heiteres, sinnreiches Spiel mit der Kunst, das dich der Meisterschaft des Cembalospiels näher bringen soll. Weder die Erwägung meines eigenen Interesses noch ehrgeizige Träumereien haben mich bewogen, sie zu veröffentlichen, sondern allein der Gehorsam. Vielleicht gefallen sie dir; dann werde ich mich nur um so glücklicher schätzen, anderen Weisungen zu folgen, um dich mit einem leichteren und abwechslungsreicheren Stil zu erfreuen. Zeige dich nunmehr eher menschlich als kritisch und vermehre dadurch Dein Vergnügen.“
Auf dem nach Hauseweg bin ich über Pieter-Jan Belders Gesamtaufnahme bei Brilliant Classic, Vol.VIII, ein 3 CD Set mit den Sonaten K318-371 um € 9,99 „gestoplert“. Ich konnte nicht widerstehen und hab´s mir gekauft. Das ist sie nun, meine erste Scarlatti CD inkl. 1 „Scarlatti Cent“, den ich als Rückgeld erhalten habe.
Donnerstag, 7. Dezember 2006
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