Montag, 17. September 2007

K 278-288

17 09 2007

K 288 (L 57) in D-Dur, Allegro. Das klingt schon eher nach Kirchenorgelmusik, wie ich sie von meinem Vater von Kindesbeinen an gewohnt bin...


16 09 2007

K 287 (S 9) in D-Dur, Andante Allegro. Das erste von drei Orgelstücken (K 287, K 288, K 328). „The score states that they should be played on an organo da camera con due tastatura flautato e trombone, i.e. a chamber organ (a positive organ without pedals) with main flute and reed stops.” (Alain de Chambure 1988,S.139). Ross spielt dieses kurze Stück auf der Kirchenorgel von Saint-Guilhem-le-Désert. „Although it is not a chamber organ, its style and timbre meant that it was entirely suitable for our porposes.” (Alain de Chambure 1988,S.139). Keine Kirchenmusik !


15 09 2007

K 286 (L 394) in B-Dur, Allegro. „Kk is a gigue, accented withsyncopattions and acciacaturas. The stream of quavers frequently accented by lower semitone appoggiaturas. Several of the sequences are repeated note for note, making it possible to create an echo effect on two keyboards.” (Alain de Chambure 1988,S.108). Diese Sonate klingt ziemlich schräg und gewöhnungsbedürftig. Ich hätte gerne auch eine Klaviereinspielung zum Vergleich mit der Ross´schen Cembalofassung.


14 09 2007

K 285 (L 91) in A-Dur, Allegro. Ein fröhliches Stück mit einer schönen Melodie, gute Laune Musik - so fängt der Tag gut und beschwingt an!


13 09 2007

K 284 (L 90) in G-Dur, Allegro. Ein kurzes Stück, das mit K 283 wohl ein Paar bildet. Sowohl Anzalotti alsauch Pletnev haben beide zusammen aufgenommen. K 283 und K 284 ergänzen einander tatsächlich gut. Von Fernando Valenti liegt mir eine lange, um nicht zu sagen aufgeblasene Fassung vor. Sie klingt etwas wie nach Spieluhr, ist aber dennoch hörenswert.


12 09 2007

K 283 (L 318) in G-Dur, Andante Allegro. Eine beliebte Sonate mit einem eingängigen Motiv, die mir in einigen Aufnahmen, u.a. von Teodoro Anzalotti, Michail Pletnev und Konstantin Scherbakov vorliegt. Letztere gefällt mir am besten - zumindest heute.

Von einem bemerkenswerten Konzert in der evangelischen Magnuskirche in Worms berichtet die Wormser Zeitung in ihrer heutigen Ausgabe:


Barock und natürlich

Elisabeth Scholl und Daniele Boccaccio überzeugen in Magnuskirche

Sopranistin Elisabeth Scholl und Daniele Boccaccio am Cembalo erweckten die barocke Welt zum Leben.

Vom 12.09.2007

Von
Gunter Weigand

Den Konzerttitel "Barock und natürlich" hat Elisabeth Scholl nicht gewählt, um endlich mal einen Konzertabend in legerer Kleidung bestreiten zu können, wie sie ihrem Publikum in der Magnuskirche versicherte. Vielmehr habe sie mit dem Begriff die enge Verbundenheit des barocken Menschen mit der Natur verdeutlichen wollen.

Gemeinsam mit ihrem musikalischen Gefährten Daniele Boccaccio am Cembalo erweckte die Sopranistin eine barocke Welt zum Leben, in der eigentlich das Leben und Arbeiten mit der Natur im Mittelpunkt des Alltags steht. Doch die Liebe mit all ihren Höhen und Tiefen wirbelte auch in dieser Zeit alles durcheinander, was so manchen Musiker zu besonderen Kompositionen inspirierte.

Einen besonderen Schwerpunkt hatten Elisabeth Scholl und Daniele Boccaccio an diesem Abend auf das Werk von Domenico Scarlatti gelegt, einem bedeutenden Komponisten und Virtuosen seiner Zeit, der der Legende nach sogar Händel in einem Cembalo-Wettstreit besiegt haben soll. In seinem "No, non fuggire, o Nice" beklagt sich ein unglücklich verliebter Schäfer über seine Angebetete, die ihm die kalte Schulter zeigt. Über den zart perlenden Cembalo-Klängen schwang sich Elisabeth Scholls voller Sopran empor und machte den Schmerz des Schäfers in den ausgefeilten Melodien spürbar. Mühelos gelangen ihr schwierigere Koloratur-Passagen, bei aller technischen Kunstfertigkeit war auch ihre Freude an der Musik zu spüren. Ein weiterer Glanzpunkt war Georg Friedrich Händels "Il gelsomino", in dem die Liebe aus der Sicht einer Jasminblüte geschildert wird. Dieses Stück weist einen sehr heiteren Charakter auf, man glaubt beinahe zu sehen, wie Händel beim Komponieren mit dem Auge gezwinkert hat. Die verschlungenen Melodiebögen verlangten Elisabeth Scholl einiges ab, doch bewies sie auch hier eine stimmliche Agilität, die alles so einfach erscheinen ließ.

Die Vokalwerke boten Daniele Boccaccio natürlich nicht viel Gelegenheit, Akzente zu setzen, denn zu untergeordnet ist die Rolle der Cembalo-Begleitung angelegt. Aber er präsentierte vier Sonaten aus Scarlattis Feder, die vor melodischen Ideen strotzen und das Cembalo in den Mittelpunkt rückten. Triller, Praller und viele Verzierungen machen diese Sonaten so interessant, dass das Zuhören zum kurzweiligen Vergnügen wird.

Elisabeth Scholl lockerte das Konzert auf, indem sie kleine, humorige Anekdoten einstreute, darunter auch Geschichten von Heinz Erhardt. Das kam sehr gut an und zeigt, dass man bei Konzerten mit "klassischer" Musik nicht immer alles so ernst nehmen muss.
http://www.wormser-zeitung.de/region/objekt.php3?artikel_id=2965090


11 09 2007

K 282 (L 484) in D-Dur, Allegro. Hier geht´s wieder flott zur Sache, eingebettet in diese von Scott Ross in rasendem Tempo gespielte Sonate ist eine ruhige Passage, die sehr reizvoll ist. Insgesamt ein bemerkenswertes Stück!


10 09 2007

K 281 (L 56) in D-Dur, Andante. Ein ruhiges, sehr angenehmes Stück, andante eben, aber hier in positivem Sinn.


09 09 2007

K 280 (L 237) in A-Dur, Allegro. Nach einem sehr ansprechenden Anfang setzt (in der Ross´schen Einspielung)ziemlich penetrantes Gehämmere ein. Ich hör´s mir morgen nochmals an, vielleicht geht´s mir nur heute auf die Nerven.


08 09 2007

K 279 (L 468) in A-Dur, Andante. Bei dieser Sonate bin ich etwas ratlos, zwiespältig. Einerseits kommen meine Schwierigkeiten mit Scarlattis Andante Sonaten zum Tragen, andererseits hat diese Sonate aber schon etwas reizvolles für mich...


07 09 2007

K 278 (S 15) in D-Dur, Con velocita. Ein ungewöhnliches Stück, es klingt total “modern”, überhaupt nicht nach Barock, auch nicht nach „typisch Scarlatti“. Unbedingt anhören!

Samstag, 8. September 2007

K 269 - 277

06 09 2007

K 277 (L 183) in D-Dur, Cantabile andantino. Nicht zum Mitsingen, aber zum Entspannen bis zum Einschlafen.

05 09 2007

K 276 (S 20) in F-Dur, Allegro. Ein prickendles, von Dissonanzen durchzogenes Stück, welches dadurch einen großen Reiz erhält.

04 09 2007

K 275 (L 328) in F-Dur, Allegro. Angenehm anregend, perlend, wie ein Glas Sekt.

03 09 2007

K 274 (L 297) in F-Dur, Andante. Vorallem die ersten Takte finde ich sehr ansprechend.

02 09 2007

K 273 (L 398) in H-Dur, Vivo - Moderato. Von dieser ist Alain de Chambure nun begeistert. „Its partner, K 273, provides a complete contrast. The form is quite unusual. The second half opens with a 6/8 pastorale, which breaks away from the 3/8 metre of the rest of the sonata. The dance-like atmosphere is enhanced by the fact that the piece is divided up into five eight-bar sections. The closing stages of each half are full of splendid virtuosic sequences.“ (Alain de Chambure 1988,S.106). Diese Sonate klingt interessant, aber so toll dann auch wieder nicht.

01 09 2007

K 272 (L 145) in H-Dur, Allegro. Alain de Chambure spricht von einer „slightly monotonous sonata“ (Alain de Chambure 1988,S.106). Ich finde das nicht, sie klingt durchaus reizvoll.

31 08 2007

K 271 (L 155) in C-Dur, Vivo. „A two-part toccata.“ Wer Toccaten mag, ist hier gut bedient.

30 08 2007

K 270 (L 459) in C-Dur. Zu dieser Sonate gibt´s keine Tempoangaben. Das sehr eingängige Thema erinnert an die Titelmelodie der alten Agatha Christie Krimi -Verfilmungen mit M.Rutherford. Mich wundert, dass diese Sonate nicht populärer ist.

Im Radio Ö1 war heute morgen wiedereinmal eine Scarlatti-Sonate zu hören: K 21, gespielt von Alain Planes auf dem Hammerflügel (Essercizi K 1-30, harmonia mundi HMC90183839).

29 08 2007

K 269 (L 307) in A-Dur, Allegro. Eine der vielen Tarantellas. Tanzbar, walzbar, mich juckt´s in den Beinen. Die richtige Musik zum Aufstehen am Morgen oder um den Tag heiter ausklingen zu lassen.

K 237 – 268, Frank Stella, Jaqueline Ogeil, D.S.- Der latente Zeitgenosse, Tolomeo e Alessandro

28 08 2007

K 268 (L 41) in A-Dur, Allegro. „In Kk 268, Scarlatti seems to be trying out the various directions in which a modulation can be taken. Several times, having set off in a given tonality,...,he leads the musical discourse to a tonality a third way, a fourth or even a fifth, only to come back to the point of departure.“ (Alain de Chambure 1988,S.106). Die Sonate liegt mir in 3 hochkarätigen Einspielungen vor: Zacharias, Pletnev und Rövenstrunck ( und natürlich Ross Scott). Zacharias und Pletnev „demonstrieren“ dieses spieltechnisch und musikalisch für einen Pianisten sicher sehr interessante Stück, jeder in seiner eigenen Interpretation. Bei Rövenstrunck habe ich den Eindruck, er läßt sich vom Stück nicht beeindrucken, spielt es einfach (und) unprätentiös – so ist es meinen Ohren angenehmer.

27 08 2007

K 267 (L 434) in B-Dur, Allegro. Fortsetzung des Ohrenschmauses mit anderen Tönen...

26 08 2007

K 266 (L 48) in B-Dur, Andante. Wunderbar, ein Ohrenschmaus.

25 08 2007

K 265 (S 32) in a-moll, Allegro. „Kk 265 is a rondo. A short principal subject is followed by three couplets in 6/8. There is a coda in which the principal subject is developed.“ (Alain de Chambure 1988,S.105). Wieder ein Stück nach meinem Geschmack, das swingt und groovt, mit einigen Breaks.

24 08 2007

K 264 (L 446) in C-Dur, Vivo. Diese Sonate „...provides several instances of Scarlatti´s mastery in controlling the dynamics of the harpsichord. In the final part of the extension, he gradually swells out the chords to bring them up to seven notes, thereby creating an unusual crescendo effect.“ (Alain de Chambure 1988,S.105). Eine lange Sonate, die mich etwas kribbelig macht.

23 08 2007

K 263 (L 321) in E-Dur, Andante. Ein ruhiges, dennoch bewegtes Stück zum öfter Hören (in der Klavierversion).

Wußten Sie, daß (angeblich) Bach, Händel und Scarlatti 1707 im Alter von 22 Jahre ihre ersten Choräle bzw. geistlichen Meisterwerke komponiert haben? Bach die Kantate BWV 131 „Aus der Tiefen rufe ich, Herr, zu dir“, Händel „Dixit Dominus“ und Domenico Scarlatti sein berühmtes „Stabat Mater a 10 voci“.

22 08 2007

K 262 (L 448) in H-Dur, Vivo. „Kk 262 is a sort of tarantella streaked through with lightning scales.“ (Alain de Chambure 1988,S.105). Sehr interessant und abwechslungsreich.

21 08 2007

K 261 (L 148) in H-Dur, Allegro. H-Dur ist für Scarlatti eine eher ungewöhnliche Tonart, allerdings gibt er sie bald zugunsten von a-moll auf und „...there follows a gripping development in the second half where powerful chords punctuate a feverish repetition of the same note (eighty times). The A minor sequence reappears in identical form in B minor und C sharp minor.“ (Alain de Chambure 1988,S.105. Für mich klingt dieses Stück sehr nach Gitarre und Flamenco.

20 08 2007

K 260 (L 124) in G-Dur, Allegro. “There are a few unusual features in this long symmetrical sonata. The closings are different, which is rare, and the key signature is altered eight times, which is unique. The tonalpicture in both sections of the sonata is complex, and the modulating passages could be described as developments in three sequences.“ (Alain de Chambure 1988,S.104f.) Keine Sonate zum nebenher Hören, sie erfordert volle Aufmerksamkeit, die sich aber lohnt.

19 08 2007

K 259 (L 103) in G-Dur, Andante. Eine beliebte Sonate, die mir wiederum in einigen Aufnahmen vorliegt. Zu recht. „Kk 259 is an example of the so-called concentrated form. The opening, treated in imitation, does not appear in the second half, but there is the same disposition of four sequences in the two halves.“ (Alain de Chambure 1988,S.104).

18 08 2007

K 258 (L 178) in D-Dur, Andante. Etwas spröde, doch wenn man sich darauf einläßt entfaltet diese Sonate ihre Reize.

17 08 2007

K 257 (L 169) in F-Dur, Allegro. „A two-part toccata.“ (Alain de Chambure 1988,S.104). Swingt und groovt.

16 08 2007

K 256 (L 228) in F-Dur, Andante. Für Alain de Chambure eine « highly lyrical composition », meine Begeisterung hält sich in Grenzen.

15 08 2007

K 255 (L 439) in C-Dur, Allegro. „In the excellent preface to his edition of Scarlatti´s sonatas, Kenneth Gilbert tells the delightful story of the oytabado and tortorilla markings which appear above some of the sequences in this sonata. For a long time, these were supposed to be the names of stops on the Portuguese organ. In reality, as L.F.Tagliavini has shown, they simply refer to a folk dance and to the cooing of a turtle dove.“ (Alain de Chambure 1988,S.104). Nette Geschichte, nette Sonate.

14 08 2007

K 254 (L 219) in c-moll, Allegro. „This uncomplicated little sonata appears to be an experiment in the staggering of imitation voices. There are four sequences in canon at the octave, and a large number of tiny off-the-beat accents which lend it a slightly chaotic charm.“ (Alain de Chambure 1988,S.104). Großen Charme besitzt die Einspielung auf der Gitarre von Roberto Aussel – sehr empfehlenswert!

13 08 2007

K 253 (L 320) in Es-Dur, Allegro. „The beginning of the second half of this sonata, where there are gentle modulations around three repeated quavers, is one of its most noteworthy features.“ (Alain de Chambure 1988,S.104). Mit Fernando Valentis Aufnahme kann ich gar nichts anfangen, die ist mir zu theatralisch. Scott Ross spielt das Stück wesentlich entspannter, trotzdem klingt´s etwas hektisch.

12 08 2007

K 252 (L 159) in Es-Dur, Allegro. „The opening is fairly conventional, but the fandango-like rhythm in the post-crux, in which the motif is repeated 32 times, comes as something of a surprise.“ (Alain de Chambure 1988,S.103). Man braucht nicht auf eine Überraschung zu warten, es ist als Ganzes ein sehr schönes, heiteres Stück.

11 08 2007

K 251 (L 305) in C-Dur, Allegro. Ein Scarlatti-Walzer.

In Buckhead, einem revitalisierten Stadtteil von Atlanta in Georgia, USA errichtete der US-Künstler Frank Stella jetzt eine 1 Million $ teure Skulptur aus einem Gewirr von färbigen Rohren. Er nennt diese Arbeit „K.3“ und sagt, sie sei von der Musik Domenico Scarlattis inspiriert. Sie repräsentiere „street life and activity, forms that move and entangle —- like life itself.”
http://www.ajc.com/business/content/printedition/2007/08/04/streets.html

10 08 2007

K 250 (L 174) in C-Dur, Allegro. Wieder einmal ein etwas einfacheres Stück, aber sicher nicht einfach zu spielen.

09 08 2007

K 249 (L 391) in B-Dur, Allegro. „This piece is typified by the introduction of a number of Spanish rhythms including that of the oytabado and by Scarlatti´s use of modulating bridge passages which are virtually tutti passages.“ (Alain de Chambure 1988,S.103).

08 08 2007

K 248 (S 35) in B-Dur, Allegro. Der Kontrast “...between its perpetually modulating motif and repeated notes over an almost identical bass.“ (Alain de Chambure 1988,S.103) kommt in der Akkordion Aufnahme mit Teodoro Anzellotti besonders gut zur Geltung.

07 08 2007

K 247 (L 256) in cis-moll, Allegro. Hier ist es die rhythmische Komplexität, die diese Sonate für viele Musiker interessant macht. Ich habe 5 Versionen u.a.von Landowska, Pletnev und Zacharias.

06 08 2007

K 246 (L 260) in cis-moll, Allegro. “Kk 246 is rich in modulations, particularly enharmonic modulations.“ (Alain de Chambure 1988,S.102). Diese Sonate klingt etwas “schräg”, was allerdings ihren Reiz ausmacht.

05 08 2007

K 245 (L 450) in H-Dur, Allegro. Wen es interessiert: „Kk 245 is a gigue.“ (Alain de Chambure 1988,S.102). Für mich : siehe K 244.

04 08 2007

K 244 (L 348) in H-Dur, Allegro. Eine schöne, gefällige Scarlatti-Sonate.

Eine interessante Neuerscheinung:

Jacqueline Ogeil
The Portuguese Scarlatti - Keyboard Sonatas by Domenico Scarlatti (ABC Classics

A wonderful collection of keyboard sonatas by Domenico Scarlatti performed on period instruments, many of which are the actual instruments for which the pieces were written and performed on in the eighteenth century. While it is unusual to hear these pieces on organ and fortepiano, modern research shows they were intended for just these instruments.

Jacqueline Ogeil is an internationally renowned Scarlatti scholar who specialises in his sonatas and keyboard works, as well as an in-demand performer and speaker, all qualities which make this recording historically informed and fascinating.

Track Listing

* Sonata K185: Andante
* Sonata K186: Allegro
* Sonata K208: Adagio e cantabile
* Sonata K209: Allegro
* Sonata K215: Andante
* Sonata K216: Allegro
* Sonata K238: Andante
* Sonata K239: Allegro
* Sonata K331: Andante
* Sonata K332: Allegro
* Sonata K347: Moderato e cantabile
* Sonata K348: Prestissimo
* Sonata K287: Andante Allegro
* Sonata K288: Allegro
* Sonata K328: Andante comodo
* Sonata K417: Fuga. Allegro moderato
http://shop.abc.net.au/browse/product.asp?productid=390754

03 08 2007

K 243 (L 353) in C-Dur, Allegro. Die „...very insistence of the rhythmic patterns...“ (Alain de Chambure 1988,S.102). macht diese Sonate etwas mühsam anzuhören.

Alles andere als mühsam anzuhören war, wie nachstehender Kritik zu entnehmen ist, ein Konzert des berühmten italienischen Jazz-Pianisten Enrico Pieranunzi, der im Bonner Beethoven-Haus Scarlatti Musik spielte.

Bonner Beethoven-Haus: Jazz-Piano mit Enrico Pieranunzi

Hommage an Barock- Komponisten Domenico Scarlatti

Von Fritz Herzog

Bonn. Was Buxtehude die Orgel, war Domenico Scarlatti das Cembalo. Beiden Barock-Komponisten wird in diesem Jahr wegen ihrer runden Todestage zumindest ein wenig mehr an Aufmerksamkeit zuteil.
Was den vor 250 Jahren verstorbenen Italiener betrifft, so widmet ihm ein Landsmann, der Jazz-Pianist Enrico Pieranunzi, eine sehr spezielle Hommage. Im Rahmen des Klaviersommers im Beethoven-Haus, der unter dem Motto "Jazz Piano Plus" steht, war Pieranunzi mit seinem Solo-Programm zu hören, in dem er sich als ein ebenso temperamentvoll interpretierender wie versiert improvisierender Musiker erwies.

"Sorry Maestro Scarlatti", entschuldigte er sich zu Beginn, womit er vermutlich weniger seinen bisweilen etwas rau, fast ruppig wirkenden Ton beim Original-Text Scarlattis gemeint haben mochte als vielmehr die Art und Weise seines "Verfremdungs-Effekts".

Seine Improvisationen sind dabei ganz unterschiedlichen Charakters: Entweder schließt sich - die klassische Art - beispielsweise einem Sonatensatz die Improvisation hierüber direkt an, oder es wird sofort nach einer kurzen Originalphrase verfremdet.

Dabei überwiegt ein eher gefühlvoller Ausdruck, der indes - als Zeichen authentischer Eingebungen - schon mal ins Stottern gerät, bevor sich der Pianist rettend wieder zum Thema zurückflüchten kann.

Dann wieder erinnern Rasanz und Präzision seiner Tastenbeherrschung an die Maschinenhaftigkeit eines Player Piano.

Ein anderes Mal scheint sich Enrico Pieranunzi modulierend durch den gesamten Quintenzirkel rühren zu wollen oder er ergeht sich über einem Endlos-Ostinato in nobel anmutenden Lyrismen. Die Schlusswendung indes fällt meist launig aus.

Als Zugaben gab's unter anderem Scarlatti im Original - und zwar in einer Tempo-Wahl, die selbst Horowitz selig hätte erblassen lassen.

(02.08.2007)
http://www.general-anzeiger-bonn.de/index.php?k=news&itemid=10003&detailid=339865

02 08 2007

K 242 (L 202) in C-Dur, Vivo. „The absence of a first beat in the accompanying figures of Kk 242 is one of Scarlatti´s fingerprints.“ (Alain de Chambure 1988,S.102). Anspruchsvolle Scarlatti-Musik – ein Hörgenuß.

01 08 2007

K 241 (L 180) in G-Dur, Allegro. „A gigue with a long chain of quavers.“ (Alain de Chambure 1988,S.102). Auffallend kurz.

31 07 2007

K 240 (S 29) in G-Dur, Allegro. Eine von Scarlattis längsten Sonaten, bei der jedoch keinerlei Langeweile aufkommt.

30 07 2007

K 239 (L 27) in f-moll, Allegro. „There is an insistent repetition (78 times!) of the same rhythmic motif easily recognisable as being that of a Spanish traditional dance, the Seville seguidilla.“ (Alain de Chambure 1988,S.102). Durch diese oftmalige Motiv-Wiederholung klingt diese Sonate sehr eigenartig und unverwechselbar, wie ein Stück eines alten Musikautomaten.

29 07 2007

K 238 (L 27) in f-moll, Andante. Wunderschön gespielt von Michail Scherbakov, „zum Niederknien“.

28 07 2007

K 237 (L 308) in D-Dur, Allegro. Auch bei diesem Stück wird einiges an pianistischem Können und Virtuosität abverlangt.

Im Internet ist ein sehr guter Artikel über Domenico Scarlatti von Daniele Dell´Agli erschienen:

Der latente Zeitgenosse
Zur Aktualität des Komponisten Domenico Scarlatti.
Von Daniele Dell´Agli.
20.07.2007

Wenn Jubiläen im Kulturbetrieb einen Sinn haben, dann am ehesten den, ein Werk der Tradition auf seine Aktualität zu überprüfen, also auf Elemente einer latenten Zeitgenossenschaft, die darauf warten, als solche von einer Epoche oder wenigstens einer günstigen Konstellation des Zeitgeists erkannt zu werden. Domenico Scarlattis 300. Geburtstag hatte 1985 einige neue Aspekte der Quellenforschung und der Interpretation zutage gefördert, von der Neuentdeckung eines lange verkannten Komponisten konnte nicht die Rede sein, selbst wenn einige ambitionierte Essays oder Analysen dies (wie in den Musik-Konzepten) nahe legen mochten. Dass es in der Zwischenzeit auch mehrere Anläufe gegeben hat, das Gesamtwerk der 555 Sonaten für Cembalo aufzunehmen, ist auch eher der digitalen Aufnahme- und Reproduktionstechnologie zu verdanken als einer kairologischen Einsicht in die Affinität dieser Klangwelt zur musikalischen Sensibilität unserer Tage. Vielleicht kann die erhöhte Aufmerksamkeit anlässlich des 250. Todestags jetzt - vor dem Hintergrund einer ungleich reichhaltigeren diskografischen Situation - anstoßen, was der überwiegend rituellen Betriebsamkeit vor zwei Jahrzehnten versagt geblieben ist.

Die Gründe für die langanhaltende Unterschätzung Domenico Scarlattis unterscheiden sich deutlich vom historischen Verfallsindex älterer Musik überhaupt und sie haben mit den Geheimnissen um seine Persönlichkeit ebenso zu tun wie mit den Provokationen seiner Musik. Vor dem 20. Jahrhundert hat kein anderer Komponist es gewagt, sich derart radikal von seinen kulturellen Traditionen abzuwenden wie Scarlatti. Er ignoriert schon bald, nach beachtlichen Talentproben, die damals modischen und erfolgversprechenden Gattungen der italienischen Oper und der Kammerkantate, kündigt 32-jährig das höchste kirchenmusikalische Amt Italiens - die Leitung der Cappella Giulia im Vatikan -, um 1720 nach Portugal auszuwandern und eine Stelle als Hofkapellmeister in Lissabon anzunehmen. Diese Tätigkeit gibt er ebenso wie die Kirchenmusik, die er in seiner römischen Zeit unter anderem bereits um ein bedeutendes Stabat Mater bereichert hatte, endgültig auf, als er im Gefolge seiner Klavierschülerin und designierten spanischen Königin Maria Barbara 1729 erst einige Jahre nach Sevilla und schließlich nach Madrid übersiedelt, um bis zu seinem Tode 1757 nur noch als Privatcembalist bei Hofe, aber abseits der Öffentlichkeit zu wirken. Von nun an sollte er ausschließlich Cembalosonaten komponieren - eine in dieser Konsequenz einzigartige Beschränkung des Repertoires, die eine ebenso einmalig luxurierende Entfaltung des Potenzials dieses Instruments zur Folge hatte. Zu keiner dieser für die Werkgenese bedeutsamen biografischen Entscheidungen, die von einer souveränen Verachtung aller nur denkbaren Konventionen des 18. Jahrhunderts zeugen, gibt es Dokumente - nur Gerüchte, Legenden, Mutmaßungen.

Desgleichen fehlen Autografen seiner Sonaten, die eine zuverlässige Chronologie erlauben, auch ist nicht gesichert, ob er bis zuletzt nur auf dem Cembalo gespielt oder bereits den Klang des Fortepiano oder der Cristofori-Flügel beim Komponieren im Ohr hatte. Für immer im Dunkeln werden die Orte und Gelegenheiten bleiben, an denen er die spanische Folklore kennenlernte, die das Schaffen der letzten drei Jahrzehnte maßgeblich beeinflusste. Man mag diese desolate Quellenlage kontingenten Faktoren wie dem Erdbeben von Lissabon zuschreiben, bei dem angeblich ein Großteil der Autografen vernichtet wurden, oder einer erst in unseren Tagen allmählich Kontur gewinnenden spanischen Musikwissenschaft, die ihre Archive noch erschließen muss; doch manifeste Rezeptionshindernisse sind immer auch Symptome einer misslungenen, unmöglichen oder gar vereitelten Kanonisierung eines unbequemen Werks.

So musste Scarlatti 200 Jahre auf seinen ersten Biografen und die erste verlässliche Ausgabe seiner Sonaten warten, und nicht zufällig wurde diese archäologische Meisterleistung von einem amerikanischen Stipendiaten in Europa, Ralph Kirkpatrick vollbracht. Ein halbes Jahrhundert später veröffentlichte der Cambridge-Professor W. Dean Sutcliffe 2003 die erste - in Deutschland bislang nicht zur Kenntnis genommene - Gesamtdarstellung des Sonatenwerks, die einen Wendepunkt in der Scarlatti-Rezeption markiert. Und wieder ist es kein Zufall, dass das unbeirrbare Interesse für diesen Komponisten aus dem angelsächsischen Raum kommt, wo bereits Hunderte von Veröffentlichungen seinen Rang bezeugen.

Bis heute ist die Scarlatti-Forschung in Italien hingegen eher dürftig zu nennen, die spanische ist noch gar nicht vorhanden. Die einen spielen seine Emigration samt Aufkündigung der Maniera zugunsten hispanisierender Modi herunter, um ihn wenigstens halbherzig als italienischen Komponisten reklamieren zu können; die Spanier finden es offenbar unvereinbar mit ihrem Stolz, dass ausgerechnet ein Ausländer als erster und exemplarisch jenes andalusische Idiom in die Kunstmusik integriert hat, das man spätestens seit Lorca getrost als klingendes Emblem spanischer Identität bezeichnen darf. Lapidar kommentiert Sutcliffe: "Domenico Scarlatti does not belong" - nicht zu einem historischen Stil, einer Schule oder Tradition, nicht zu einer Epoche, nicht einmal zu einem Land.

Scarlattis Sonderstellung glich schon zu Lebzeiten einem riskanten Balanceakt, der ihm wohl nur dank der Protektion der Königin nicht zum Verhängnis wurde: Zu einem Zeitpunkt, da am spanischen Hof die italienische Oper triumphierte und Elemente des internationalen barocken Stils die spanischen Regionaltraditionen verdrängten, griff just ein Italiener den melorhythmischen Reichtum der iberischen Folklore auf, um mit ihrer Hilfe Generalbass und barocken Sonatensatz zu sprengen. Barbara Zuber hat mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass dieser musikhistorische Affront mit einem nicht minder brisanten gesellschaftspolitischen einherging, handelte es sich bei der Folklore um die Musik der damals noch verfolgten Gitanos, der andalusischen Zigeuner, in der überdies noch Elemente der einstigen maurischen und jüdischen Musikkultur überlebten. Im Zentrum der sich allmählich abschwächenden Gegenreformation war so ein Werk von radikal heidnischer Diesseitigkeit entstanden, eine profane Kunstmusik, die sich an keiner Stelle des gigantischen Oeuvres zu Repräsentationszwecken herbeilässt, die nichts und niemanden feiert außer der schieren Freude an der Intensität des Daseins - selbst oder gerade in seinen abgründigsten Momenten.

Und die auch ethnomusikalisch erst im 20. Jahrhundert ihresgleichen findet: Kein anderer Komponist hat vor Bartok (der nicht zufällig eine Auswahl von Scarlatti-Sonaten ab 1907 in sein Konzertprogramm aufnahm) ein volksmusikalisches Idiom - ein in zahllose tänzerische und sangliche Charaktere aufgefächertes Idiom - derart genau registriert und sich stilistisch anverwandelt, geformt und gebändigt. Wie sonst nur in Ravels spanischen Stücken und bei Bartok erscheint das Folkloristische dank des Verzichts auf direkte Zitate in der kompositorischen und spieltechnischen Brechung gefiltert und zur Kenntlichkeit verwandelt.

Was darin an volksmusikalischen Rhythmen und Melodien "ursprünglich" anmutet, ist nichts als jene verblüffende Schlichtheit und Evidenz des Nichtgemachten, die kollektiv-musikalischen Schöpfungen eigen ist. Gerade, weil Scarlatti die spanischen Motive nirgends direkt zitiert, vermag er den Geist des Flamenco, lange bevor er sich in den uns heute bekannten Stereotypen verfestigte, als eines zeitlosen Fundus von Melodien und Rhythmen zu beschwören, dessen Magie sich wiederum als zeitloses Moment auf seine Musik überträgt.

Zu den mentalitätsgeschichtlichen Verfemungen kommen die Scheuklappen der Zunft als weiteres Rezeptionshindernis hinzu. Dass die beschriebene hochaktuelle Dimension der Musik Scarlattis bis heute fast durchweg verkannt oder unterschätzt wurde, hat Sutcliffe zufolge mit einem musikwissenschaftlichen Denken zu tun, das traditionell der Harmonik einen höheren Rang beimisst als dem Rhythmus, dem geistigen Nachvollzug größere Bedeutung als der physischen Ergriffenheit. Für Probleme der musikalischen Syntax - etwa Scarlattis exzessiven Gebrauch funktional sinnloser Wiederholungen oder seine eigenwillige Phrasierungskunst - gäbe es weder eine differenzierte Wahrnehmung noch eine entsprechende Begriffsbildung. Desgleichen dürfe sich eine "postmoderne Musikologie" die Analyse "freipolyphoner" Phänomene, wie sie bei Scarlatti unentwegt begegnen, künftig nicht länger von den Kriterien des strengen Kontrapunkts vorgeben, will sie flexibel genug sein, der unorthodoxen Logik eines "mixed style" auf die Spur zu kommen. Es geht darum, einen musikologischen Diskurs zu finden, der Scarlattis "militant kreativer Verachtung" der Regeln und Topoi, Gesetze und Konventionen des Generalbasszeitalters, aber auch der abgerichteten Affekte und einstudierten Gesten des Rokoko gerecht zu werden vermag.

In dem Bachtins Romantheorie entlehnten Begriff der "Heteroglossie" fasst Sutcliffe das Charakteristische von Scarlattis musikalischer Sprache zusammen - und führt durchgehend Merkmale auf, die wir seit der Postmoderne je nachdem als Crossover oder als Polystilistik bezeichnen. Nur dass bei Scarlatti mehr auf dem Spiel steht: es geht nicht nur um das kontrastierende Ausspielen barocker, galanter und "barbarischer" Elemente, nicht nur um den Kampf von kollektivem Idiom und individuellem Ausdrucksbedürfnis; sondern ebenso um die Ergänzung, ja Versöhnung von spanischen, italienischen und französischen Topoi, um die ins Werk gesetzte Verwandtschaft von neapoletanischen und andalusischen Elementen einer panmediterranen Musiksprache. Ferner um den ersten musikalischen Entwurf eines zwischen Unmittelbarkeit und Reflexion, Kalkül und Spontaneität, Ironie und Pathos unentwegt, oft schon im Übergang von einer Phrase zur anderen modulierenden Subjekts. Und nicht zuletzt geht es um die suggestivste und eleganteste Überwindung der Kluft von Volksmusik und Kunstmusik vor den osteuropäischen Peripetien des 20. Jahrhunderts.

Doch das Sonatenwerk Domenico Scarlattis bietet nicht nur die erste große Schule des Crossovers und der Polystilistik, sondern auch ein unerschöpfliches Kompendium der Klavierkunst. Radikaler als seine Zeitgenossen Rameau, Händel oder Bach emanzipiert Scarlatti das Cembalospiel von der Orgelliteratur und vom Vokalstil; in der Freiheit seiner Stimmenführung ist er dem Mainstream der musikalischen Entwicklung um ein Jahrhundert voraus, wobei der Versuch, dem Cembalo einen Weg zwischen der strengen Orgelpolyphonie und der "Scheinpolyphonie" (Kirkpatrick) der Gitarre zu bahnen, ihn zu spieltechnischen Innovationen führte, die zum Teil erst auf dem modernen Konzertflügel ihren ganzen Resonanzreichtum entfalten. Seine am Klang orientierten, aus einer kontrollierten Improvisation heraus entstandenen Kompositionen dynamisieren die im Rahmen einsätziger, zweiteiliger Sonaten das Tastenspiel mit Sprüngen, Lagenwechseln, Handüberschlägen, Arpeggi und Glissandi auf eine Weise, die erst von Liszt wieder eingeholt wurde, während seine extremen Tempi mit vergleichbarer motorisch-tänzerischer Verve erst bei Bartok, Prokofiev oder Stravinsky wieder auftauchen. Auch versucht Scarlatti als erster, mit den Mitteln der Klaviatur die Klangfarben anderer Instrumente sowie außermusikalische Geräuschquellen zu evozieren.

Zu Recht gilt er als Erfinder des modernen Klavierspiels, was trotz der Pionierleistungen von Horowitz und Marcelle Meyer und früher Hinweise von Glenn Gould sich erst seit zwei Jahrzehnten auch unter Konzertpianisten herumzusprechen beginnt, die dieses umfangreichste Oeuvre der Klavierliteratur mehr und mehr auch als das unverbrauchteste zu entdecken beginnen.

Mit der Konjunktur pianistischer Aufnahmen der Scarlatti-Sonaten scheint sich die müßige Frage, ob die ursprünglich für das Cembalo komponierten Stücke überhaupt den Instrumentenwechsel vertragen, durch die Praxis von selbst zu erledigen. Dennoch sollte sie bei jeder Sonate aufs Neue diskutiert werden, da der im Vergleich zu Bach geringere Abstraktionsgrad von Scarlattis Musik diese empfindlicher auf unterschiedliche Klangfarbenregister reagieren lässt. Anders gesagt: die prägnanten gestischen, tänzerischen, auch atmosphärischen Figuren gewinnen oder verlieren an Bedeutung, je nachdem auf welchem Instrument gespielt wird. Viele der manifest spanischen Sonaten (das sind generell fast alle in Moll gehaltenen, aber auch etliche der in Dur beginnenden und in Moll übergehenden Stücke zwischen K 50 und K 300) klingen auf dem altertümlichen Cembalo kühner, härter, kompromissloser: weil sie zum einen dem metallischen Gitarrensound des Flamenco näher kommen, zum anderen eine Welt maschinell entfesselter Leidenschaften heraufbeschwören, die keine romantisierende oder sonst psychologisierende Nuancierung kennt. Das spielerisch Maskenhafte, aber auch verspielt Neapolitanische, das Frivole, Flirrende und Funkensprühende, das Horowitz unübertroffen hervorzuzaubern verstand, weicht bei Scott Ross dem düsteren Ernst viel älterer, noch kollektiv organisierter Affekte.

Man nehme nur den Anfang von K198 (L 22) in e-moll: während bei Horowitz das auf- und absteigende Kernmotiv zum Hoch und Tief innerer Zustände subjektiviert erscheint, bevor er leichthändig zu einem rasanten Flug durchs Labyrinth einer manisch-depressiven Sensibilität enteilt, eröffnet das schwerfällig scheppernde Cembalo mit einer demiurgischen, fast sachlichen Geste der rechten Hand, die von der linken taktversetzt übernommen und bestätigt wird, ein großräumiges Panorama: das also sind Berg und Tal. Eine Quartrotation, ein purzelnder Tetrachord und die anschließende Beschleunigung der Imitationsfiguren wirkt dann wie ein Heranzoomen von Einzelschicksalen und Ereignissen aus weiter Ferne. Oder K 98, wiederum in e-moll: bei Pogorelich kommt jeder Ton auf Samtpfoten federnd, selbst die repetitiven Sequenzen wirken getupft - nichts vom maschinellen Furor und der Unheimlichkeit martialischer Cembalosalven bei Scott Ross.

Den Cembalo-Synergien ist es vorbehalten, eine Intensität des Ausdruckslosen aufbauen, die das unpersönlich Rauschende und das festlich Rauschhafte beschwört, den tödlichen Ernst atavistischer Tradition mit dem Spieltrieb eines innovatorischen Genius synchronisiert. Selbst die Seufzer einer Arie klingen hier schnöde, wie von langer Hand gezupft und auf offener Bühne ausgestellt. Andererseits vermag nur das Klavier als Soloinstrument die Power und den koloristischen Reichtum eines volksmusikalischen Idioms einzufangen und dennoch als kompositorischen Personalstil zu vergegenwärtigen. Unter den Scarlatti-Interpreten am Konzertflügel ist es Christian Zacharias am überzeugendsten gelungen, die archaisierenden Modi und die tragischen Insistenzfiguren, aber auch ihre unerwartet heiteren Auflösungen, den intimen Lauten-Sound und das aristokratisch Grandiose, existenzielles Pathos und kokettes Achselzucken zu inszenieren. Zacharias lässt den Verdacht des oberflächlichen Virtuosentums, mit dem eine der Wiener Klassik verpflichtete Musikpublizistik gern Ausdrucksformen exuberanter Lebensbejahung herabwertet, gar nicht erst aufkommen.

Aus der Toccata K 519 in f-moll, einem jagenden Zigeunergalopp im Stil rumänischer Bartok-Tänze, holt er noch mahnende Mittelstimmen, nachdenkliche Blicke zurück heraus; das Mäandernde, Tastende, Zögernde von K 426 in g-moll gerät ihm zum romantischen Wechselbad von drängender Sehnsucht und schicksalhafter Resignation, wie er auch sonst in den langsamen Stücken eine Melodieführung und Motivbildung akzentuiert, die Schubert, Schumann und Chopin in genau dem Maße antizipiert, wie sie den Möglichkeiten des Cembalo voraus war.

Es bleibt demnach vor allem Sache des Klaviers, die durchgehenden Ambivalenzen des Scarlattischen Gestus als Vielstimmigkeit einer zerrissenen und aus dieser Zerrissenheit ihre Produktivkraft schöpfenden Persönlichkeit erklingen zu lassen, - in der ganzen abgründigen Nähe zur nomadisch-heimatlosen Crossover-Subjektivität des 21. Jahrhunderts. Das Werk Domenico Scarlattis musste, so scheint es, Klassik, Romantik und Moderne verschlafen, um in der Postmoderne zu einer ihm entsprechenden Zeitgenossenschaft zu erwachen.

Literaturhinweise:

Die deutsche Ausgabe von Ralph Kirkpatricks unentbehrlicher Biografie ist leider seit langem vergriffen und nur antiquarisch zu bekommen.

Barbara Zubers eindringlicher Essay "Wilde Blumen am Zaun der Klassik" findet sich im auch sonst sehr lesenswerten Heft 47 der Musik-Konzepte, das allein Domenico Scarlatti gewidmet ist.

Die große Studie von W. Dean Sutcliffe "The Keyboard Sonatas of Domenico Scarlatti and Eighteenth-Century Musical Style", der man dringend eine Übersetzung wünscht, ist in der Cambridge University Press erschienen.

Empfehlenswerte Aufnahmen:

Die Cembaloaufnahme von Scott Ross (bei Warner) ist nicht nur deshalb unbedingt zu empfehlen, weil sie die einzige bislang vollständige und außerdem sehr preiswert zu haben ist, sondern weil sie durch ein konzeptuell luzides, nirgends manieriertes oder umgekehrt routiniert nachlassendes Spiel besticht, dem auch bei jeder einzelnen Sonate im Vergleich der Vorzug gebührt. Andreas Staier, dessen Einspielungen (Sony/BMG) hoch gelobt wurden, betont die virtuosen und ornamentalen Spielfiguren leider auf eine Weise, die die musikalische Textur auf bloße Oberflächenreize reduziert. Das ins Extrem getriebene Prestissimo d-moll K 517 etwa klingt bei ihm nach einer Player-Piano-Studie von Nancarrow, was immerhin den Vorzug hat, dessen entseelte Mechanik der Spieluhrenmusik des Rokoko anzunähern, wovon Scarlattis hochenergetische Treibjagd (unübertroffen hier die Klavieraufnahme von Zacharias) allerdings denkbar weit entfernt ist.

Unter den historischen Klavieraufnahmen seien neben den legendären Einspielungen von Horowitz (CBS) die der viel zu wenig bekannten Marcelle Meyer genannt, die etwa zeitgleich Mitte der fünfziger Jahre eine Auswahl von 32 Sonaten aufnahm, die bis heute hinsichtlich ihrer klaren, schnörkellosen, leidenschaftlich zupackenden Spielweise als vorbildlich gelten darf (von EMI 1994 wieder aufgelegt).

Aus dem mittlerweile fast unübersehbaren Reservoir von Klavieraufnahmen der letzten Jahrzehnte seien hervorgehoben die Einspielungen von
- Anne Queffelec, die auf den Spuren Marcelle Meyers einen gleichsam durch den späten Ravel und durch Dutilleux gehärteten, kristallinen Scarlatti vorstellt (Erato 1994/Warner 2002);
- Alexis Weissenberg, der mit durchgehend forcierter Dynamik, gehämmerten Tanzrhythmen und atemberaubenden Tempi die Stücke seiner Auswahl fragwürdig, aber mitreißend dramatisiert (Polydor 1985);
- Ivo Pogorelich, dessen Aufnahme aufgrund einer auffällig verhaltenen, introvertierten Artikulation und angesichts vieler Überschneidungen mit der Auswahl Weissenbergs als direkte Kritik an diesem verstanden werden kann (DG 1992);
- Christian Zacharias, der in drei Anläufen (1991 und 1995 bei EMI und 2003 bei MDG) insgesamt 63 Sonaten aufgenommen und das bislang kompletteste, differenzierteste Klangbild Scarlattis entworfen hat.
- Michail Pletnev, der durch eine launig überstrapazierte Kontrasttechnik das polystilistisch Zusammengesetzte vieler Sonaten herausarbeitet, dabei allerdings selbst Meditationen über die Vergänglichkeit ins ironisch Uneigentliche auflöst und insofern als Antipode von Zacharias organisch-integrativem Scarlatti-Spiel gelten kann (Virgin Classics).

Auch beim Stabat Mater ist die Bandbreite der Interpretationen enorm. Am bekanntesten ist die spröde, aber auch steife, den zehnstimmigen Palestrina-Satz betonende des Concerto Italiano unter Rinaldo Alessandrini (Opus 111); diametral entgegengesetzt ist die spätbarock beschwingte, die Trauer immer wieder in Heiterkeit auflösende Aufnahme vom Choir der Christ Church Cathedral unter Francis Grier (Hyperion), die schon deutlich auf das berühmte Stabat Mater Pergolesis vorausweist.

Bei den Notenausgaben der Sonaten sollte man stets darauf achten, dass Sie der von Kirkpatrick erstellten Edition folgen. Die einzige in diesem Sinne vollständige und zuverlässige Gesamtausgabe von Kenneth Gilbert (Mitte der siebziger Jahre bei Heugel in Paris erschienen) ist leider nur noch in Teilbänden und schwer zu bekommen. Die von John Sankey als Zip-Datei ins Netz gestellte Teilausgabe (K 1-170) ist hingegen aufgrund seiner glättenden Eingriffe in den Notentext nicht zu empfehlen.
http://www.perlentaucher.de/artikel/4026.html